In loser Reihenfolge wollen wir Einblicke nicht nur ins Seminar-Leben, sondern auch in andere Institutionen der Bildungslandschaft geben. Dabei werden unterschiedlichste Stimmen gehört und verschiedenste Standpunkte eingenommen.
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Blog-Eintrag Nummer 8, 25.11.2024
Dass beide Fächer sich wunderbar ergänzen, wusste schon Günter Grass. Sein Roman Örtlich betäubt aus dem Jahr 1969 handelt von einem „Studienrat für Deutsch und also Geschichte“. In der Unterrichtspraxis unterscheiden sich die beiden Verwandten aber in einem signifikanten Punkt: In Geschichte verkeilt sich auf der Beziehungsebene zwischen Lehrer und Schüler mitunter der Inhalt, der für viele Lernende sperrig und weit weg von ihrer Lebenswelt und ihren Interessen zu sein scheint. In ihrem Alltag treiben sie eben andere Dinge um als etwa die Frage, warum ein komischer Kaiser vor bald tausend Jahren mit irgendeinem Papst Stress bekam und deshalb angeblich drei Tage lang barfuß im Schnee um ihn herumscharwenzelte und dabei immer wieder an seine Tür klopfte, damit dieser ihn vom Bann freispreche. Ja, geht’s noch? Es bedarf schon eines gewissen didaktischen Arrangements, bevor manche Themen über den Ladentisch gehen. Aus Schülersicht sollten sie zumindest unterhaltsam sein, aus Lehrersicht nach Möglichkeit gegenwartsrelevant, und irgendwann im Verlauf der Stunde erwarten wir von unseren Schülern, dass sie sich positionieren, begründet Stellung beziehen, urteilen, wie sie das alles finden und wie sie an dieser oder jener Stelle selbst gehandelt hätten. Sogar bei brandaktuellen Themen fällt dies nicht immer leicht: Was braucht es nicht alles an Voraussetzungen, um wenigstens ansatzweise kompetent beim Nahost-Konflikt mitreden zu können?
In Deutsch habe ich in der Mittelstufe dagegen jüngst die Erfahrung gemacht, dass ich oft ganz unversehens und ohne viel eigenes Zutun in die Lebenswelt meiner Schüler hineingleite. Es vergeht kaum eine Stunde, in der sie nicht etwas Wesentliches über sich preisgäben. In einem Jugendroman, den ich derzeit mit ihnen lese, listet ein grübelnder jugendlicher Protagonist Eigenschaften über sich auf, die er für besonders charakteristisch oder bemerkenswert hält. Daraufhin habe ich meine Schüler gebeten, sie möchten es ihm gleichtun und ihrerseits auf einem Zettel in kurzen Sätzen „fünf erstaunliche Dinge“ über sich selbst festhalten. Dabei kamen tatsächlich erstaunliche Dinge zu Tage, wie ich am nächsten Morgen feststellen konnte, als ich die Zettel in der Absicht einsammelte, um sie auszugsweise der Klasse vorzulesen. Ich wollte die Schüler raten lassen, wer wohl jeweils der Autor der Sätze gewesen sein könnte. Wie gut würden sich die Schüler gegenseitig kennen? Ich war mir sicher, dieses Spiel würde dazu führen, sich untereinander noch besser wahrzunehmen und zudem hätte es auch noch einen vorzüglichen Unterhaltungswert.
Wie sich herausstellte, stimmte das auch: Jedes Mal, wenn ich einen neuen Zettel umdrehte, konnte man die gespannte Erwartung, die sich in der anbrandenden Stille breitmachte, mit Händen greifen: „Ich habe fünf Geschwister!“ Schlagartig einsetzendes Gejohle. Blitzartig schießen zahlreiche Meldungen in die Höhe. Klar, das hat sich in der Klasse längst herumgesprochen, eine einfache Frage also. Nächster Satz: „Ich lache viel.“ Auch da ahnen die meisten, welche Frohnatur gemeint sein muss, und lösen rasch das Rätsel. „Ich verliere immer meine Haargummis.“ – „Ich finde gekaufte Süßigkeiten doof.“ – „Wir haben Gänse.“ – „Ich habe Helene Fischer in echt gesehen.“ – „Ich gehe gerne in die Kirche.“ Ratespaß pur. Schwieriger für die Klasse, dafür aber auch banal: „Ich mag Ferien.“ Wer bitte mag Ferien nicht?! Noch schwieriger, diesmal aber nur für mich, wird es, als ich Sätze ziehe, bei denen ich ins Stocken gerate: „Ich bin fast schon zu unvoreingenommen.“ Oder: „Ich wäre bei meiner Geburt fast gestorben.“ Soll ich das wirklich vorlesen? In Sekundenschnelle entscheide ich mich trotz eines aufziehenden Unbehagens dafür und bin erleichtert, als ich feststelle, wie freimütig mein Schüler von den Komplikationen erzählt, die sich bei seiner Geburt zugetragen haben müssen. – „Ich bin peinlich.“ Jetzt merke ich, dass ich aufpassen muss. Das ist nichts für die Allgemeinheit. Und lustig ist es auch nicht. Auch das Bekenntnis „Ich hatte schon einen Freund“ halte ich besser unter Verschluss, erst recht aber „Ich bin ganz anders als die anderen“. Wenn ich jetzt einen Fehler mache, sitze ich in der Falle. Aber ich habe noch einmal Glück gehabt.
Es folgen noch Sätze, die ich nicht einmal hier wiederzugeben wage. Hätte ich nicht vorhersehen können, welche Schwierigkeiten in der Stunde auf mich zukommen könnten? Das ist gewiss der Fall. Aber bei der Vorbereitung auf eine Geschichts- oder Deutschstunde kann ich schon aus zeitökonomischen Gründen nicht jede erdenkliche Wendung vorwegnehmen. Dies wäre im Übrigen auch der Spontaneität abträglich, die in einem gewissen Maß für einen lebendigen Unterricht unabdingbar ist. So akzeptiere ich also, was mir meine Mentorin im Referendariat vor mehr als zwei Jahrzehnten auf den Weg gegeben hat: „An einem einzigen Vormittag treffen wir im Klassenzimmer, im Lehrerzimmer, auf dem Schulhof oder auf den Gängen dazwischen vielleicht fünfzig Entscheidungen, in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen. Haben wir jeden einzelnen gesehen? Sind wir dabei immer allen gerecht geworden? Du musst damit leben, dass du nicht jede einzelne Entscheidung im Nachhinein noch einmal so treffen würdest.“
Ein erstaunliches Ding über mich: Die Entscheidung, Schüler über sich selbst nachdenken zu lassen, würde ich im Nachhinein durchaus noch einmal treffen. Dazu ist der Schreibauftrag zu effektvoll. Es wäre aber sicher aufrichtiger, die Schüler vor der Raterunde über das Verfahren aufzuklären, so dass sie noch die Gelegenheit bekommen, selbst zu entscheiden, welche Sätze vorgelesen werden dürfen, wenn ihr Zettel gezogen wird.
Blog-Eintrag Nummer 7, 21.10.2024
Blog-Eintrag Nummer 6, 20.9.2024
Ich spreche mit meiner 9. Klasse über unsere Exkursion ins ehemalige Konzentrationslager Natzweiler im Elsass. Traditionell führen wir den Gedenkstättenbesuch am Lessing-Gymnasium im Rahmen der Unterrichtseinheit „Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg – Zerstörung der Demokratie und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ mit allen 9. Klassen gemeinsam durch. Nach einem „Blitzlicht“ aller Schülerinnen und Schüler wird klar, die Exkursion hat sie beeindruckt. Wir waren im Schnee unterwegs. So war es leichter, als wir auf dem ehemaligen Lagergelände standen, sich vorzustellen, was es für die Häftlinge damals bedeutet haben muss, in dünner Häftlingskleidung, unterernährt und der ständigen Bedrohung durch die SS ausgesetzt, in Kälte, Wind und Schnee auf dem Appellplatz auf weitere Grausamkeiten oder den Tod zu warten. Plötzlich ging den Schülerinnen und Schülern das Schicksal der Menschen, das in der Schule ein Geschehen im Geschichtsbuch, welches man leicht zuklappen kann, gewesen war, sehr nah. Bilder, vor denen man beim Filmschauen in der Schule die Augen schnell verschließen konnte, waren nun von aufrüttelnder Unmittelbarkeit.
Wir haben in der Klasse reflektiert, welche Formen der Erinnerungskultur junge Menschen ansprechen und was sie für zielführend halten, um ein „NIE WIEDER“ zu ermöglichen und in ihrer und für die folgenden Generationen aufrechtzuerhalten und sind auf viele Möglichkeiten gekommen: Stolpersteine, Denkmäler, Gedenktage, Zeitzeugen-Interviews (auch in digitaler Form, wenn die betagten Zeitzeugen nicht mehr in Klassen sprechen können oder bereits verstorben sind), Exkursionen zu Gedenkstätten, Tagebücher von Zeitzeugen lesen und vieles mehr. Das hat uns zu der Frage geführt, wie Menschen, die das Konzentrationslager überlebt haben, danach weiterleben konnten, die Schrecken und das Grauen verarbeiten – geht das? Und wenn ja – wie?
Ich habe der Klasse das Video „Dancing Auschwitz“ (abrufbar auf YouTube; lange Version 5:24) gezeigt.
Ja, das Video, das schon bei seiner Premiere 2009 äußerst kontrovers diskutiert worden war. Menschen waren tief bewegt oder hielten es schlichtweg für unangemessen und respektlos den Millionen Opfern gegenüber, die nicht überlebt haben. Ich hatte es erstmals auf einer Fortbildung gesehen und mir gedacht: Bloß nicht in der Schule zeigen…
Warum? Der 89-jährige Adolek Kohn, ein Überlebender von Auschwitz, tanzt zusammen mit seiner Tochter Jane, einer Aktionskünstlerin, und seinen fünf Enkelkindern zu Gloria Gaynors „I Will Survive“ an den Schauplätzen des Grauens z. B. in Auschwitz. Die Wirkung? Man muss es gesehen haben, beschreiben bringt nichts. Jeder reagiert anders.
Schließlich, als die Auseinandersetzung mit dem Thema „Erinnern an den Holocaust – aber wie?“ in einer Klasse einmal ins Stocken geraten war, hatte ich das Video dann doch gezeigt. Und jetzt wieder.
Warum? Auch Schülerinnen und Schüler diskutieren das Video äußerst kontrovers – und setzen sich mit der Thematik auf einem ansonsten im Unterricht häufig unerreichten Reflexionsniveau auseinander. Mir bleibt die Rolle der Moderatorin und ich gebe Hintergrundinformationen dazu, beispielsweise was das Ziel von Jane Kormann war, als sie das Video gedreht hat oder warum Tanz in dieser Familie eine große Rolle als Ausdruck der Lebensfreude spielt oder warum ihre Mutter, ebenfalls eine Holocaust-Überlebende, nicht an dem Projekt teilnehmen wollte. Das Gespräch läuft unter den Schülerinnen und Schülern lange, konzentriert und sehr ernsthaft. Sie sprechen miteinander. Jane Kormann hat ihr Ziel erreicht:
„… es war mir sehr wichtig, dieses Kunstwerk über die Vergangenheit und über die Zukunft zu schaffen, für die nächste Generation, die nächste jüdische oder nicht-jüdische Generation, ganz egal, um an den Holocaust zu erinnern und daran, wie die Menschheit mit Vorurteilen solch ein Elend verursachen konnte. Wir müssen sehr sorgsam sein, was wir denken und was wir tun. Das ist die Botschaft und die Lektion, die ich der nächsten Generation mitgeben möchte. Die üblichen Bilder, die sie über den Holocaust sehen, haben sie schon oft gesehen, da sind sie abgestumpft. Ich wollte etwas schaffen, um sie wieder zu sensibilisieren, um zum Nachdenken anzuregen, und das passiert gerade.“
Zitiert nach: Zeitgeschichte online
Als „abgestumpft“ gegenüber den „üblichen Bildern“ habe ich meine Schülerinnen und Schüler glücklicherweise nicht erlebt. Damit die Schülerinnen und Schüler das Projekt in seiner Intention nachvollziehen können, ist es zielführend, auch das Interview mit dem inzwischen verstorbenen Adolek Kohn gemeinsam anzuschauen, in dem er erzählt, dass kein Tag vergehe, an dem er nicht an seine ermordeten Verwandten denke, und es ist sehr beeindruckend, wenn er über seinen Besuch in Auschwitz sagt:
„If someone would tell me here, then that I will come sixty something three years later with my grandchildren…. So, I´d say, `What you are talking about?´… So here I am. This is really a historical moment. ... Because who can come?“
Zitiert nach; Adolek Kohn: In „I will survive: Dancing Auschwitz. Part 3.“
Millionen KZ-Häftlinge wurden in den Konzentrationslagern ermordet, konnten kein Leben danach aufbauen. Schülerinnen und Schüler berührt es sehr, dies an Einzelschicksalen nachvollziehen zu können: Die virtuelle Ausstellung der Gedenkstätte Yad Vashem „Lebt wohl, meine Lieben! Letzte Briefe von Holocaust-Opfern 1941-1942“ bietet dazu Gelegenheit. Ida Goldis starb mit 24 Jahren. In ihrem letzten Brief am Vorabend ihrer Deportation schrieb sie:
„Lebt wohl, meine Lieben! Meine geliebte Mutter, mein guter Vater, Ihr wart der erste Sonnenstrahl, der mein Leben erwärmte, … Ich bedaure aus tiefster Seele, dass ich beim Abschied die Bedeutung des Augenblicks nicht erfasste, dass ich Euch nicht lange, lange betrachtet habe, damit sich Euer Bild tief in meine Seele einprägt…“.
Zitiert nach: Gedenkstätte Yad Vashem
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Blog-Eintrag Nummer 5, 18.6.2024
Die Geschichte beginnt mit einer jungen Mathematik-Referendarin, die mutig die Herausforderung antrat, eine 10. Klasse im eigenständigen Unterricht zu übernehmen. Nach den ersten sechs Wochen, in denen sie versucht hatte, den Schüler:innen komplexe mathematische Konzepte der Analysis zu vermitteln, kam sie zu der ernüchternden Erkenntnis: Die Klasse hatte so große Lücken, dass sie vom neuen Stoff großenteils nichts verstanden. Die Frustration war greifbar, die Tränen nah und die Aussicht auf eine erfolgreiche Lehrprobe schien in weite Ferne gerückt.
In einem Beratungsgespräch riet ich ihr schließlich zu Radikalität. Anstatt sich weiter in den festgefahrenen Methoden zu verlieren, entschied sie sich für einen unkonventionellen Ansatz. Sie räumte frühmorgens das Klassenzimmer leer, klebte mit Panzerband ein Koordinatensystem auf den Boden und begann von vorne, bei der ersten Lücke, bei den basalen Grundlagen. Diese drastische Veränderung zog neugierige Blicke auf sich und ließ die Schüler:innen aufhorchen.
Indem sie den Raum neugestaltete, schuf sie eine Atmosphäre des Neuanfangs. Durch das Koordinatensystem auf dem Boden wurde Mathematik plötzlich greifbar und lebensnah. Doch nicht nur die physische Umgebung, sondern vor allem ihre Herangehensweise änderte sich. Sie trat auf Augenhöhe mit den Schüler:innen, teilte ihre eigenen Lerngeschichten und machte Mathematik zu einem Abenteuer, das gemeinsam erkundet wurde.
Die Veränderung in der Dynamik der Klasse war augenfällig. Die Schüler:innen, die zuvor dem Unterricht skeptisch gegenüberstanden, begannen, aktiv teilzunehmen. Die Beziehung zwischen der Referendarin und den Schüler:innenn vertiefte sich, und plötzlich waren Fortschritte sichtbar. Das Klassenzimmer wurde zu einem Ort des kreativen Denkens und gemeinsamen Lernens.
Am Ende des Schuljahres gestalteten Referendarin mit ihrer Klasse eine der besten Lehrproben, die ich je gesehen hatte. Die Schüler:innen präsentierten nicht nur mathematische Konzepte, sondern zeigten auch ihre persönliche Entwicklung und die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen. Die Klasse war zu einer Einheit zusammengewachsen, und die Referendarin hatte eine Schlüsselrolle in diesem beeindruckenden Wandel gespielt.
Dem Vorsitzenden der Lehrprobe eröffnete ich diese Details erst nach der Notenbesprechung, die weniger als 2 Minuten dauerte … er überließ mir die Verantwortung für die Notenverkündung … ich war stolz, die Erfolgsgeschichte dieser Referendarin und ihrer Klasse zu teilen. Es war ein Zeugnis dafür, wie Lehrer:innen durch Innovation, Empathie und die Bereitschaft, radikale Veränderungen vorzunehmen, eine bleibende Wirkung auf ihre Klasse haben können.
Diese Geschichte erinnert uns daran, dass das Lehren nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch die Fähigkeiten und das Selbstvertrauen der Schüler:innen stärkt. Es zeigt, dass manchmal der Weg zum Verstehen nicht linear ist, sondern radikale Ansätze und kreative Methoden notwendig sind, um eine echte Verbindung zwischen Lehrenden und Lernenden herzustellen.
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Blog-Eintrag Nummer 4, 19.4.2024
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Blog-Eintrag Nummer 3, 13.3.2024, Beitrag Ralf Lehnert
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Blog-Eintrag Nummer 2, 29.11.2023
Hey teachers don´t leave the kids alone – neue Lehrer/innen braucht das Land
Sommer 2023. An deutschen Schulen herrscht Lehrermangel. Schulleiter streichen Förderkurse oder gleich den ganzen Unterricht in Kunst, Sport oder Physik in einzelnen Klassen. Auch der Blick in die Hochschulen bietet keinen Anlass für Entwarnung: Zu wenige junge Leute entscheiden sich für ein Lehramtsstudium und schließen es dann auch ab. Der Beruf hat offensichtlich an Attraktivität eingebüßt. Zu Recht? Wir haben Menschen an den unterschiedlichsten Stationen ihres (Lehrer-)Lebens gefragt: „Was heißt es für Sie, Lehrer/in zu sein bzw. Lehrer/in zu werden? Was motiviert, was stört, was nervt, was erfüllt Sie?“
Das geschah durchaus mit der Motivation zu ergründen, warum es sich auch heute noch lohnt, Lehrer/in zu werden. Hier sind ihre ganz subjektiven Antworten.
Meinungen
Julia, seit 24 Jahren Lehrerin
Auch nach etlichen Berufsjahren gehe ich immer noch jeden Tag gerne in die Schule.
Oft denke ich, dass es ein Privileg ist, Lehrerin sein zu dürfen.
Warum?
Weil ich mit jungen Menschen zusammenarbeiten und sie so auf ihrem Weg zum Erwachsensein begleiten darf. Das gibt dem täglichen Tun einen Sinn. Weil der Lehrerberuf und die Schule einen großen Einfluss auf unsere Kinder und Jugendliche haben, die unsere Gesellschaft prägen werden. Weil ich in diesem Beruf selbst lebenslang lernen darf. Und weil es im Schulleben nie langweilig wird! Denn kein Tag in der Schule gleicht dem anderen.
Natürlich ist der Beruf auch manchmal anstrengend, aber es lohnt sich!
Larissa A., Lehrerin im 1. Jahr
Lehrer/in sein heißt für mich die Schüler für die eigenen Fächer zu begeistern und sie bei ihren Stärken zu fördern und bei ihren Schwächen zu unterstützen. Dabei sollte man starke Nerven und ein gewisses Durchsetzungsvermögen besitzen. Ein Kraftakt war es sich die nötige Autorität zu erarbeiten, Regeln konsequent durchzusetzen und sich dabei selbst treu zu bleiben. Schüler merken es, ob man sich verstellt und nicht authentisch ist. Dass die Planung oft einem flexiblen, spontanen Agieren weichen muss, wurde mir im ersten Jahr vor Augen geführt. Daher lohnt es sich, sich häufiger individuell auf gewisse Situationen einzulassen, anstatt stur den eigenen Fahrplan zu verfolgen. Nicht nur die Arbeit mit jungen Menschen, sondern auch die Zusammenarbeit mit Kollegen macht sehr viel Spaß. Die stressigen 18 Monate im Referendariat lohnen sich. Danach ist es ein neues Ankommen an der Schule. Man ist nicht mehr nur "Zaungast", sondern mittendrin im Geschehen - wird gefordert und fühlt sich als Teil des Kollegiums. Für mich ist Lehrersein ein schöner und erfüllender Beruf, bei dem sich die Arbeit im Klassenzimmer ausbezahlt. Denn wo sonst, nehmen die Schüler kein Blatt vor den Mund und geben ein direktes und unverblümtes Feedback?
Ich habe den Lehrerberuf als sehr erfüllend erfahren. Das zeigt sich auch darin, dass ich noch heute guten Kontakt zu meinen ehemaligen Schülerinnen und Schülern sowie zu meinen Referendarinnen und Referendaren habe.
Laura (kroatische Studentin Uni Zagreb, Lehramt Deutsch)
Eigentlich wollte ich nie Lehrerin werden. Mein Bruder sagte immer, dass Lehrer*innen dumm sind. Aber durch meine Ausbildung hat sich meine Meinung geändert.
Ich hatte Lehrer*innen, die kein Interesse am Lehren oder an Kindern hatten; die in den Unterricht kamen und nicht bereit für die Stunde waren. Die Schüler hatten dann meistens schlechte Noten.
Ich will eine Lehrerin werden, weil ich den Schülern zurückgeben will, was sie mir geben – Motivation.
Mirela (kroatische Dozentin für Deutsch/Didaktik, Uni Zagreb)
Lehrer/innen haben es in der heutigen, schnelllebigen, digitalisierten Welt nicht leicht. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die künstliche Intelligenz nie einen Lehrer / eine Lehrerin ersetzen kann. Es gibt nichts Schöneres, als jemandem eine Sprache beizubringen. Dieses Gefühl können unseren Lernenden keine Apps vermitteln.
Timo, Gemeinschaftsschullehrer
Ich bin noch immer gerne Lehrer, merke aber auch schon die zehrenden Jahre der Vergangenheit.
Was ich aber immer weniger aushalte, ist diese unflexible Administration, die all das nicht zu erfüllen vermag, was wir den Schülerinnen und Schülern beizubringen versuchen: Innovation, Kreativität, Zielstrebigkeit oder auch Reflexion. Mein Gemütszustand schwankt folglich oft zwischen Frustration und Resignation; Aufbruch verspüre ich eher selten. Warum wird eigentlich das nicht evaluiert?
Außerdem - und das ist eben mein Lebenslauf - verzweifle ich an der unsäglichen Konkurrenz zwischen Gymnasium und Gemeinschaftsschule. Mein Appell: „Liebe Leut‘: Lernt voneinander und hört auf, euch gegenseitig und zudem öffentlich schlecht zu reden! Es geht nämlich nicht um euch, sondern um die Kinder!“
Manchmal muss ich innehalten, um zu wissen, dass der Lehrberuf noch immer mein Traumberuf ist.
Katrin, Religionslehrerin
Sicherlich ist es angesichts der anwachsenden Herausforderungen im Lehrberuf nicht leichter geworden, Lehrer/in zu sein. Zeit- und Leistungsdruck, vielfältige Verwaltungsarbeit und junge Menschen, die ganz anderen Einflüssen ausgesetzt sind als früher, bringen erhöhte Belastungen mit sich. Aber eben diesen jungen Menschen selbständiges Denken und Handeln zu vermitteln, ist eine wunderbare Aufgabe. Zu sehen, wie Schüler/innen über ihre Schulzeit hinweg heranwachsen und sie auf diesem Weg ins Erwachsensein zu begleiten, ist nach wie vor erfüllend. Angesichts der derzeitigen Krisen brauchen wir eine starke Jugend, die es lernt, sich kritisch und konstruktiv mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Sich als Teil dieses Prozesses zu verstehen, macht den Lehrberuf zu etwas ganz Besonderem.
Ulrike, Schulleiterin
Gerade komme ich vom 24-Stunden-Lauf für Kinderrechte in Karlsruhe. Unsere Schule nimmt wie viele andere seit Jahren daran teil. Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte treffen sich am Wochenende und setzen sich gemeinsam für andere ein - es sind solche Tage, die mir deutlich machen, wie schön es ist, als Lehrerin arbeiten zu dürfen. Sicher, der Beruf ist anstrengend, es gibt viele Zwänge und man kann nicht immer alles so gestalten, wie man gerne würde. Aber ich finde es erfüllend, junge Menschen ein paar Jahre ihres Lebens zu begleiten und ihnen fachlich und menschlich etwas mitzugeben - und gleichzeitig auch von ihnen zu lernen.
Birgit, Lehrerin und Lehrbeauftragte
In der Schule ist es manchmal laut, aber immer lebendig. Die Schülerinnen und Schüler sind voller Energie, nicht immer im Unterricht – aber oft in den Pausen.
Mir gefällt dieser Arbeitsplatz, ich arbeite gerne mit Schülerinnen und Schülern und freue mich, sie wachsen zu sehen: äußerlich und innerlich – und in ihrem Potential, die vielfältigen Herausforderungen des Lebens zu bewältigen.
Bei meiner Arbeit mit meinen Referendarinnen und Referendaren motiviert mich, meine Erfahrungen und Kenntnisse rund um das Thema „Schule und Unterricht“ weitergeben zu können, sodass ihnen hoffentlich hilfreiche Handlungsoptionen eröffnet werden. Natürlich werden sie ihren eigenen Weg als Lehrerinnen und Lehrer gehen – und der passt genau zur heutigen Zeit und Jugend – nicht nur im Hinblick auf ihren kenntnisreichen Umgang mit moderner Technik und Medien. So bleibt Schule lebendig.
Annette, psychologische Beratungsstelle
Lehrerin sein, Lehrerin werden
Schaue ich auf 40 Jahre Lehrerin sein zurück, staune ich, wie sehr sich unser Beruf verändert hat. Denn als ich Lehrerin wurde, lag der Schwerpunkt klar auf dem Unterrichten meiner Fächer Kunst und Deutsch. Dazu Klassenleitung, Konferenzen, hier und da ein Elterngespräch und Landschulheim. Gefühlt war’s das. Schaue ich heute, wie ich Lehrerin bin, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Die Erwartung, die sich an uns in dieser Arbeit richtet, hat sich vollkommen verändert. Das beginnt bei den Kindern und Jugendlichen, die uns nicht selten als einzige stabile erwachsene Größe in ihrem Alltag erleben – ich jedenfalls habe als Schülerin nicht schon auf dem Flur gewartet, um mit der ankommenden Lehrerin zwei drei Minuten für ein privates Gespräch zu erhaschen. Das setzt sich fort mit Eltern, die Erziehung und Begleitung ihrer Kinder mit großer Selbstverständlichkeit in der Schule verorten und uns für weit mehr als schulische Bildung im engeren Sinne verantwortlich machen (wollen). Und es endet mit einer (Bildungs)Politik, die problematischen Entwicklungen innerhalb der jüngeren Generation fast reflexhaft in der Schule verortet und gelöst sehen will. Schluss aus meiner zunehmenden Überforderung (neben ewiger Neugier und Lust am Lernen…) war meine Weiterbildung zur Beratungslehrerin an der Schulpsychologischen Beratungsstelle in Freiburg. Seither dreht sich mein Leben weiterhin um Kunst und Deutsch, um Konferenz und Landschulheim und darüber hinaus um ganz viel Beratung: Erziehung und Leistungsdiagnostik, Schullaufbahnberatung und Lernen lernen, Prüfungsangst und Rechenschwäche, Selbstorganisation und was der Themen mehr sind. Das ganz mit einem Fuß in der Schule und mit einem als abgeordnete Lehrerin in der SPBS. In der Fülle aller Fragen, die das Erwachsen-Werden begleiten. So passt’s!
Blog-Eintrag Nummer 1, 24.07.2023
Hey teachers don´t leave the kids alone – neue Lehrer/innen braucht das Land
Sommer 2023. An deutschen Schulen herrscht Lehrermangel. Schulleiter streichen Förderkurse oder gleich den ganzen Unterricht in Kunst, Sport oder Physik in einzelnen Klassen. Auch der Blick in die Hochschulen bietet keinen Anlass für Entwarnung: Zu wenige junge Leute entscheiden sich für ein Lehramtsstudium und schließen es dann auch ab. Der Beruf hat offensichtlich an Attraktivität eingebüßt. Zu Recht? Wir haben Menschen an den unterschiedlichsten Stationen ihres (Lehrer-)Lebens gefragt: „Was heißt es für Sie, Lehrer/in zu sein bzw. Lehrer/in zu werden? Was motiviert, was stört, was nervt, was erfüllt Sie?“
Das geschah durchaus mit der Motivation zu ergründen, warum es sich auch heute noch lohnt, Lehrer/in zu werden. Hier sind ihre ganz subjektiven Antworten.
Meinungen
Maximilian, Referendar, 35
Ich will ehrlich sein. Das Referendariat ist herausfordernd und die Zeit danach wohl auch. Warum gehe ich nach meiner Uni- und Promotionszeit dennoch ins Lehramt? Ganz einfach: Der Beruf gibt eine klare Antwort auf die „Sinn“-Frage. Junge Menschen dabei zu unterstützen, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, empfinde ich als äußerst sinnerfüllte Aufgabe. Gegenüber diesem sinnstiftenden Moment scheinen mir die Herausforderungen dann doch ganz klein.
Dirk, Lehrer und Fachberater, 58
Mir macht das Unterrichten bis heute Freude: Es fordert mich inhaltlich und es bereichert mich menschlich, da wir es immer wieder mit neuen Schülerinnen und Schülern zu tun haben. Jede Klasse, jeder Kurs hat eine eigene Dynamik – und der Aufbau von Beziehungen zu Schülerinnen und Schülern ist meiner Meinung nach die Voraussetzung für gelingenden Unterricht. Das klappt mal besser, mal weniger gut, aber es wird nie langweilig. Ich würde es wieder machen ;-)
Jonathan, Berufsschullehrer (USA), 70
Vietnam war was in full swing, I was going to the last year of university and knew that teaching was a deferment from the draft (i.e. going to Vietnam killing people and get killed)
So I took four 3-credit education classes and became a school teacher in the New York City school system. Only to wonder what was more war like, Vietnam or public schools in New York.
I ended up teaching for 35 years, 31 years in higher education college in Colorado. Three months off in summer balanced my life perfectly, allowed my to write my own paramedics course book and makes me look back with confidence.
Matthias, Berufsschullehrer, 62
Alljährlich beginnen 60 SuS von den unterschiedlichsten Schulen an unserem technischen Gymnasium. Eine wild bunte Mischung mit großen Altersunterschieden, vielfach Migrationshintergrund und aus ganz unterschiedlichen sozialen Schichten. Seit ein paar Jahren machen wir deshalb gleich zu Beginn in einem kleinen Vogesenstädtchen unsere Kontakttage, die den Klassenzusammenhalt und das Mit- und Füreinander jumpstarten.
Nach dem ersten Jahr in der Grundstufe sind die Fortschritte bereits verblüffend. Freundschaften und Teams bilden sich. Russisch herber Straßenslang glättet sich und türkisch behüteter Fleiß trifft auf kreativ-freche Stadtneurotik.
Im vergangenen Schuljahr nahm die erste Jahrgangsstufe als Klasse an einem Workshop des Startup BW teil, bei dem Startup Ideen binnen weniger Stunden unter geschickter Anleitung geboren werden. Ein Team von drei Schülerinnen hatte eine wirklich glänzende Idee, wie man profitabel mit Discountern über eine App zusammenarbeiten könnte und damit Lebensmittelverschwendung bekämpfen kann. Damit kamen sie in die Landesauswahl.
Letzten Donnerstag begleitete ich die drei zum entscheidenden Pitch Auftritt in Mannheim.
Stolz wie Oskar staunte ich hoch zur Bühne, als meine Schülerinnen Schulter an Schulter eine Präsentationsperformance hinzauberten, die sie von mir nicht gelernt haben können.
Das sind die kleinen Highlights im Lehrerleben, natürlich gibt es auch viele entnervend mühselige Momente im Klassensaal. Aber auch die relativieren sich, lassen sich dank der Jahre an Erfahrung immer besser auffangen und zum Guten wenden.
Johanna, Schülerin Klasse 11 (G9)
In meiner Grundschulzeit wollte ich unbedingt Lehrerin werden. Ich war auch der festen Überzeugung, dass sich das nicht ändern würde. Aber je mehr Zeit man in der Schule verbringt und den Lehrerberuf näher kennen lernt, desto mehr merkt man, dass es nicht so rosig ist, wie man es sich vorstellt. Viele Schüler und Klassen sind undankbar oder unerträglich anstrengend, das bemerkt man sogar als Schüler. Außerdem lässt die Mitarbeit oder Konzentration streckenweise nach und Schüler befinden sich oft in schwierigen Phasen ihres Lebens. Aber genau das ist der Grund, weshalb Lehrer- und Lehrerin-Sein so schön ist. Man hat die Chance, Schüler/innen auf ihrem Lebensweg zu begleiten, eine Ansprechperson zu sein, nicht nur Wissen, sondern auch Weisheiten zu vermitteln und die Schulzeit für viele zu versüßen. Deshalb ist meine Bitte und zugleich mein Rat an Sie: Haben Sie keine Scheu davor, Menschlichkeit zu zeigen. Und damit meine ich nicht zu jammern, dass Sie so viele Arbeiten zu korrigieren hätten, denn wir haben auch viele Hausaufgaben, sondern auch „Privates“ erzählen, Gefühle zeigen und sich um Ihre Schüler/innen kümmern. Fragen Sie nach, wie es Ihren Schülern geht und zeigen Sie, dass Ihre Schüler/innen auch zählen. Viel Glück!
Marija, kroatische Dozentin für Deutsch/Didaktik, Uni Zagreb
Der Schriftsteller Ivo Andrić sagte einmal, am Sternenhimmel und an Gesichtern könne sich der Mensch nie sattsehen. So geht es mir auch. Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten, mich auszutauschen, aus immer neuen Begegnungen zu schöpfen, Wissen zu vermitteln. Dabei sind die modernen Medien durchaus hilfreich. Was mich stört, ist die Zunahme an administrativen Verpflichtungen. Man muss ständig Berichte erstellen, Formulare ausfüllen, Kästchen ankreuzen und hat nichts davon. Wir leben in einer vielschichtigen Überwachungsgesellschaft. Mit meinen Schülern [Studenten] mache ich es anders. Sie sollen ihre Freiheit genießen, solange es geht.
Marie, 20 Jahre Lehrerdasein
Ich weiß nicht, ob es in anderen Berufsfeldern auch den Sonntagsblues gibt – aber ich habe immer das Gefühl, die restliche Menschheit kann den Sonntagnachmittag und -abend noch richtig genießen, rausgehen, sich verabreden, während bei mir die Verpflichtungen und Planung der Woche gleich nach dem Frühstück unerbittlich in mein Bewusstsein drängen, mit einer Vehemenz, die jegliches Verdrängen unmöglich macht – also ran an den Schreibtisch und rein in die Unterrichtsvorbereitung, an die Korrekturen von Heften, deren Stapel nie wirklich zu schrumpfen scheint. Schaffe ich es vor dem Tatort und darf dann zur Belohnung ein wenig glotzen? Häufig genug fällt er aus, kein Mord mit Auflösung, sondern Stundenvorbereitungen ohne Happy-End, die nie genug scheinen, „man könnte doch noch“, „ich hatte doch mal ein AB“, "wieder keine Differenzierung"… . Ein Job von 8.00 bis 16.00, kein Mitnehmen nach Hause, erscheint paradiesisch, aber kaum stehe ich am Montag in der Klasse – dann weiß ich, es war doch die richtige Entscheidung Lehrer zu werden.
Beate, Gymnasiallehrerin, 63 Jahre
Lehrer werden ist nicht schwer, Lehrer sein dagegen sehr!
Fast am Ende meiner schulischen Laufbahn angekommen, versuche ich mit einer Metapher den jungen, angehenden Lehrerinnen und Lehrern die wichtigste Aufgabe unseres Berufes vor Augen zu führen:
Die Schule gleicht einem Haus mit vielen Türen. Hinter jeder dieser Tür verbirgt sich Wissen. Wir wecken die Neugier und das Interesse, öffnen Türen und führen behutsam über die Schwelle in der Hoffnung, zu begeistern und zu faszinieren. Doch leider machen wir in unserem Schulalltag immer wieder die Erfahrung, dass diese Hoffnung enttäuscht wird und wir auf innere Widerstände und Blockaden stoßen, die es gilt, mit viel pädagogischem Geschick aus dem Weg zu räumen.
Wir müssen es schaffen, uns in die Perspektive der Lernenden zu versetzen, ihre Schwierigkeiten ernst zu nehmen, damit sie ihre Schwellenängste überwinden und die Türen, die wir ihnen öffnen, nicht für immer zustoßen. Wir öffnen ihnen die Türen des Wissens, damit sie in jedem Raum auch das Fenster erblicken, das ihnen, über das pure Wissen hinaus, den Horizont für das eröffnet, was wir „Bildung“ nennen.
Ein guter Lehrer bleibt ein Schüler bis an das Ende seiner Tage.
Eric, Prof. Dr.-Ing., 56
Lehrende haben wie kaum eine andere Berufsgruppe einen unglaublichen Einfluss auf das Erwachsenwerden junger Menschen. Sie prägen - im Guten wie im Schlechten. Die Vorbildfunktion positiver Natur geht in den letzten Jahren zunehmend verloren, da man sich in Regeln, Befindlichkeiten und Gleichgültigkeiten verliert. Reinhard Meys "Zeugnistag" war vor 40 Jahren revolutionär und heute ist der Liedtext, bei dem sich Eltern für ihr Kind gegen die "Obrigkeit" einsetzen, fast die Regel - aus wesentlich niedrigeren Beweggründen. Diese aufgezwungene, ständige Auseinandersetzung mit dem Umfeld - extern durch Eltern und gesellschaftliches Gefüge, intern durch bedingt "berufene" Leitungsfunktionen - fördert nicht die besten Lehrkräfte hervor. Dabei bräuchten wir sie mehr denn je.
Mira, Lehrerin im 4. Jahr, 30
Ich selbst hatte eine tolle Schulzeit, in der ich viele motivierende Lehrkräfte erlebt habe, die mir neben ihrem Fach auch wirklich etwas fürs Leben mitgegeben haben. Ich wollte auch so eine Lehrerin sein und genieße es, mit jungen Menschen zu arbeiten, sie beim Aufwachsen zu begleiten und ihnen eine Offenheit für die Welt mitzugeben. Es ist zwar schon immer wieder ein sehr anstrengender und intensiver Job, aber es kommt auch ganz viel Dankbarkeit und Herzlichkeit von den Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern zurück. Und wenn ich dann die vielen unterschiedlichen und tolle Charaktere am Ende ihrer Schullaufbahn mit einem Abi in der Hand in die weite Welt ziehen sehe, erfüllt mich das mit Stolz und das ist eine echte Belohnung für die Arbeit meiner Kolleg*innen und mir.
Max, Referendar
Als ich mein Studium ergriffen habe, konnte ich mir kaum vorstellen, wie es sein würde, einmal selbst Lehrer zu sein. Wie auch? Mal ehrlich: Man hat gerade erst Abitur und soll sich plötzlich vorstellen, von der Schüler- in die Lehrerrolle zu wechseln? Während der Gedanke an das Lehrersein für mich deshalb zunächst eher nebenbei lief, begab ich mich mit viel Freude und Neugier in das Studium meiner Fächer. Das hat mich begeistert und motiviert. Ich wollte dazulernen, meine Interessen vertiefen und diese irgendwann auch vermitteln. Da habe ich schließlich verstanden, was das Großartige am Lehrberuf ist: die Freude am Lernen und die Faszination für die eigenen Fächer leben zu dürfen und diese Begeisterung an andere weiterzugeben. Auch wenn es mühsam ist und nicht immer gelingt, gibt es auch jetzt schon diese kleinen Momente, in denen man merkt, dass die Begeisterung angesteckt hat. In diesen Momenten spürt man, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hat.
Finnegan, Schüler Klasse 11 (G9)
Für mich bedeutet Lehrer zu werden ein großes Maß an Verantwortung. In einem Schülerpraktikum an einer Grundschule nach Corona-Wiedereröffnung ist mir das besonders deutlich geworden. Ich habe von vielen Wegen erfahren, wie Lehrer ihren Unterricht fortgesetzt hatten. Das reichte sogar bis zum Austeilen von Arbeitsblättern wie Briefe. Hätten die Lehrer sich nicht diese Mühe gemacht, so hätte ich ein ganz anderes Klassenbild vorgefunden, nämlich ohne jegliche Vorkenntnisse und nicht bereit für die weiterführende Schule. Stattdessen trat ich in eine Klasse, die ihren Unterricht wie vor Corona weiterführte.
Vor allem in den ersten Klassen entscheidet sich die Zukunft für viele.
Silvia, Berufsschullehrerin, 47
Ein Schüler sagte heute nach bestandener Abiturprüfung an der Technischen Oberschule zu mir: „Das waren die besten zwei Schuljahre, die ich erlebt habe.“ Um eine Begründung gebeten antwortete er: „Ich habe mich nie zuvor so ernstgenommen gefühlt, so bestätigt und so viel Begeisterung von Lehrer*innen für ihre Fächer gespürt.“
In dieser Aussage steckt viel: Als Lehrer sind wir wirksam. Wir werden gebraucht. In der Begleitung von Lernenden haben wir Gestaltungsräume. Wir dürfen Neues ausprobieren und verwerfen. Wir erleben gesellschaftliche Vielfalt. Wir werden gefordert - gut so, da bleibt der Geist beweglich! Und gleichzeitig genießen wir Sicherheit in unserem Arbeitsverhältnis.
Nach seiner Zukunft befragt antwortete der Schüler: „Ich werde Ingenieurspädagogik studieren.“ Berufswunsch: Lehrer an einer Beruflichen Schule.
Esther, Gymnasiallehrerin, 49
Lehrerin zu werden, war für mich immer ein lohnendes Ziel. Ich ging gerne in die Schule, hatte großartige Lehrer und einen Vater, der die Liebe zu seinem Beruf begeistert auslebte. Daher lag es für mich nahe, selbst diesen Beruf zu ergreifen. Doch haben sich einige Randbedingungen geändert, die einem die Freude am Beruf häufig nehmen oder zumindest einschränken: Vorschriften, juristische Bedenken, unrealistische Bildungspläne, Häufung von psychischen Erkrankungen bei SchülerInnen und auch unverschämte Eltern nebst ähnlich geratenen Kindern, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
In Frustmomenten denkt man über Alternativen nach, aber ehrlich gesagt, will ich diese nicht, denn ich liebe meinen Beruf. Es ist wunderbar, junge Menschen bei der Menschwerdung zu begleiten, ihnen Werte und Inhalte zu vermitteln. Zu sehen, wie die Augen leuchten, wenn sie etwas verstanden haben. Zu sehen, wie sie sich fachlich und inhaltlich entwickeln. Zu sehen, wie sie schulisch und auch persönlich Verantwortung übernehmen.
Das will ich nicht missen!
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